Max Ernst und die Fotografie – eine ungewöhnliche Verbindung
Die Kunst von Max Ernst (1891–1976) entstand in einer Zeit des neuen, kreativen Umgangs mit der Fotografie. Momentaufnahmen, wissenschaftliche Fotografien oder Bilder von Kriegsmaschinen boten ihm nicht nur Inspiration, sondern waren gleichermaßen Arbeitsmaterial, vor allem für seine Collagen. Sein Werk ist von den technischen und künstlerischen Entwicklungen des Mediums Fotografie wesentlich beeinflusst. So nutzte er fotografische Reproduktionstechniken, um die Bildwirksamkeit seiner Arbeiten zu steigern: Vergrößerungen ließen seine kleinformatigen Collagen in Ausstellungen gegenüber Gemälden bestehen. Die Produktion von Fotopostkarten der Collagen sorgte für eine schnelle und unkomplizierte Verbreitung der Arbeiten. Die Invertierung der Tonwerte im Fotogramm steigerte die Wirkung seiner Frottagen.
Max Ernst, der erstaunlicherweise selbst nie als Fotograf in Erscheinung trat, posierte gern vor der Kamera, vor namhaften Fotograf*innen ebenso wie im Fotoautomaten. Mal ernst, mal ein bisschen „gaga“, veranschaulichen die Porträts nicht nur seine Lust am Spielerischen, sondern auch die gelegentlich strategische Nutzung der Fotografie zur Förderung seiner künstlerischen Agenda. Der Titel der Ausstellung „FOTOGAGA“ ist einer Werkgruppe von Hans Arp und Max Ernst entlehnt, die sie „FATAGAGA“ nannten: die „FAbrication de TAbleaux GAsométriques Garantis (Fabrikation garantiert gasometrischer Bilder)“. Eine dieser Fotocollagen, in denen die beiden ihr persönliches, freundschaftliches Verhältnis thematisierten, ist in der Ausstellung zu sehen.
100 Jahre Surrealismus
Gezeigt werden rund 270 Werke, vor allem Papierarbeiten, aber auch Gemälde von Max Ernst sowie Fotografien, Fotogramme, Collagen und illustrierte Bücher seiner surrealistischen Zeitgenoss*innen. Obwohl sie alle sich explizit nicht mit der banalen Realität befassten, sondern mit dem, was darunter, dahinter und dazwischenliegt, war das immer noch recht neue Medium Fotografie für viele von großer Bedeutung. Nicht zuletzt nutzten sie es, um sichtbar zu machen, was dem bloßen Auge ohne technische Hilfsmittel verborgen bleibt: das Ferne, das Winzige, das Bewegte.
Die Werke von Max Ernst werden sowohl in den Kontext zeitgenössischer als auch historischer Bezüge gestellt. Dabei lassen sich vielfältige und überraschende Parallelen zu Fotografien anderer Künstler*innen entdecken. Die für die Ausstellung ausgewählten Arbeiten zeichnen sich durch eine immense Experimentierfreude und ein kreatives Spiel mit dem Zufall aus. Ihre Urheber*innen besannen sich auf in Vergessenheit geratene Verfahren aus dem 19. Jahrhundert und entwickelten neue Techniken im Umgang mit lichtempfindlichem Material. Halbautomatische Verfahren, die Arbeit mit Vorgefundenem, Kombinatorik und das Verwischen von Spuren prägen gleichermaßen das Werk von Max Ernst wie das fotografische Œuvre vieler Zeitgenoss*innen und nachfolgender Künstler*innen. Sie haben auch 100 Jahre nach der Veröffentlichung von André Bretons erstem surrealistischen Manifest am 15. Oktober 1924 ihre Faszination nicht verloren.
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Foto: Max Ernst: Lichtrad / la roue de la lumière, aus: Histoire Naturelle, Blatt 29, 1926. Lichtdruck nach Frottage, 32,5 x 50 cm. Sammlung Würth © VG Bild-Kunst, Bonn 2024